Fortsetzungsroman: Kapitel 4

Nach einer kurzen Pause, gibt es heute endlich das vierte Kapitel meines Fortsetzungsromans. Die ersten drei Kapitel findet ihr hier: 

Fortsetzungsroman: Kapitel 1
Fortsetzungsroman: Kapitel 2
Fortsetzungsroman: Kapitel 3

Ich schaue mich tatsächlich nach Nebenjobs um. Ich meine ganz ehrlich: Ein wenig praktische Erfahrung kann im Lebenslauf nicht schaden und wenn ich einen coolen Job bekomme, dann macht das Ganze vielleicht sogar auch noch Spaß. Doch ich werde sicher nicht in irgendeiner Großküche Teller spülen oder irgendwo die Toiletten putzen. So verzweifelt bin ich dann doch nicht.

                Das Ultimatum meines Vaters macht mir allerdings schon ein wenig Angst. Auch wenn er es ganz sicher nicht ernst meint. Und selbst wenn er es ernst meint, meine Mutter wird ihn am Ende doch davon abhalten. Sie kann unmöglich wollen, dass ihr kleines Mädchen so ganz ohne Geld dar steht. Nachdem ich mir ein paar interessant klingende Stellen – Bürohilfe in einer Anwaltskanzlei und Messehostess – herausgesucht habe, verabrede ich mich also erst mal mit Lucie auf einen Kaffee oder besser gesagt einen Vanille Latte mit Sojamilch.

                Wir treffen uns in unserem Lieblingscafé, einem süßen altrosa-cremefarben eingerichteten Laden in einer Seitenstraße der Fußgängerzone. Alles hier ist gemütlich und mädchenhaft, von den weichen vintage Polstersesseln bis hin zu den Kaffeebohnen-Mosaiken an der Wand. Als ich ankomme sitzt Lucie bereits an unserem Stammplatz einem Tisch direkt am Fenster, jedoch ein wenig in der Ecke, sodass man selbst relativ unbeobachtet ist, die anderen Gäste und Menschen, die auf der Straße vorbei laufen jedoch perfekt begutachten kann. Hier sitzen wir oft stundenlang. Quatschen einfach nur und bewundern oder belächeln die Kleidung vorbeigehender Frauen. Manchmal denken wir uns auch Geschichten zu den Leuten, die wir von unserer geheimen Ecke aus sehen aus.

                Lucie lächelt mich an und wirft mir eine Kusshand zu als sie mich sieht. Die Silvesternacht und damit unser letztes Treffen ist bereits fünf Tage her. Danach war Lucie ihre Eltern besuchen, doch nun ist sie wieder hier und hat – wie ich ihren Textnachrichten entnehmen konnte – großen Redebedarf.

                „Hey Süße, ich hab schon für dich mitbestellt“, erklärt sie und zeigt auf einen perfekt aufgeschäumten Latté, ihr gegenüber auf dem Tisch steht.

                „Du bist die Beste“, antworte ich und beuge mich zu ihr runter, um sie in den Arm zu nehmen. Kaum habe ich mich gesetzt, beginnt Lucie bereits von ihrem Heimatbesuch zu erzählen. Sie hat einen Typen wiedergetroffen, den sie in der Schulzeit gedatet hat und sie haben sich geküsst. Nun ist sie total verwirrt. Eigentlich ist er überhaupt nicht mehr ihr Typ und auch sonst wohnen sie mittlerweile an komplett unterschiedlichen Orten, doch sie kann nicht leugnen, dass es in ihrem Bauch gewaltig kribbelt, wenn sie an ihn denkt.

                Lucie und ich sind gemeinsam aufgewachsen, doch als sie 16 war, sind ihre Eltern umgezogen und so kenne ich besagten Ex-Freund nicht. Zum Studieren ist sie wieder in die alte Heimat zurückgezogen und wohnt nun nicht etwa in einer Studenten-WG, sondern bei ihrer Oma. Die ist allerdings nicht etwa spießig, sondern ein noch immer überzeugtes Mitglied der 68’er Generation. Sie war auf einem John Lennon Konzert und ist noch immer ein Hippie der ersten Stunde. Früher war ihr Haus tatsächlich so eine Art Kommune. Nun wohnen dort außer ihr nur noch Lucie und unzählige verwöhnte Katzen.

                „Außerdem müssen wir noch über Silvester reden“, ändert Lucie das Thema, als sie anscheinend genug über das Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe philosophiert hat.
                „Wie war es denn noch?“, frage ich.

                „Gut, gut, aber noch besser wäre es natürlich gewesen, wenn du noch länger geblieben wärst. Also, spuck’s aus: Warum bist du so plötzlich abgehauen?“

                „Ich war einfach müde… und ich schätze über die Trennung bin ich doch noch nicht so ganz weg“, erzähle ich ihr die halbe Wahrheit. Dass ich eifersüchtig war, weil sie mit dem besten Freund meines Bruders geflirtet hat und ich mich wie ein Versager gefühlt habe, verschweige ich ihr lieber.

                „Hm…“, macht sie und rührt in dem Latté, der vor ihr steht, „mit Lukas war es jedenfalls echt noch nett. Der hat sich ganz schön verändert.“

                „Klar, er war ja auch über zehn Jahre jünger, als du ihn das letzte Mal gesehen hast. Das gleiche hat er sich wahrscheinlich auch über uns gedacht“, entgegne ich.

                „Mag schon sein“, überlegt Lucie, „aber keine Ahnung, ich meine der hat sich wirklich richtig verändert. Ich meine früher dachte ich immer, der wäre ein Loser. Aber jetzt ist er echt erfolgreich. Er arbeitet in irgendeiner IT-Firma und ist da Head-of-was-auch-immer. Hört sich auf jeden Fall richtig wichtig an.“
                „Solche englischen Titel hören sich doch immer total wichtig an. Und am Ende stellt sich dann raus, dass der Head-of-Polution-Management einfach nur die Putzfrau ist“, scherze ich und wir beide müssen lachen.
                „Apropos Job. Meine Eltern wollen, dass ich mir einen suche. Die wollen nicht mehr für mich zahlen“, füge ich dann hinzu.
                „Ist ja mega ätzend“, stöhnt Lucie, „meinst du, die ziehen das wirklich durch?“

                „Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe doch nicht“, sage ich und trinke den letzten Schluck aus meinem Glas. „Willst du auch noch einen?“, frage ich Lucie und mache mich auf den Weg zum Tresen als sie mir zunickt.

                „Weißt du, was ich glaube, Lo?“, fragt sie, als ich wiederkomme und eine randvolle Tasse vor ihr abstelle, „ich glaube, wir beide sind nicht zum Arbeiten gemacht, du und ich. Wir sind Menschen, die das Leben genießen. Ich bin sicher vor ein paar Hundert Jahren hätten wir zum Adel gehört und hätten uns um nichts kümmern müssen außer ausgefallenen Bällen und dem nächsten Ausflug in unser Sommerhaus. Und auch jetzt finde ich, dass wir einfach reich heiraten sollten. Dann gehen wir morgens zusammen zum Yoga und organisieren Cocktailpartys für unsere ebenfalls reichen Freundinnen.“

                Ich lächle nur müde und lasse Lucie weiter vor sich hinträumen. Auch wenn wir uns sonst so ähnlich sind, in dieser Hinsicht kann ich ihr nicht recht geben. So sehr ich mein jetziges unbefangenes Leben auch liebe, ich kann mir nicht vorstellen, für immer so weiter zu machen. Ich will selbst etwas erreichen, nicht nur die Frau eines Mannes sein, der etwas erreicht hat.

Hier geht es weiter:

Kapitel 5

5 Kommentare bei „Fortsetzungsroman: Kapitel 4“

  1. Ohhh wie spannend! Jetzt muss ich aber erst mal die ersten Kapitel lesen 🙂

    Wünsche dir einen wundervollen Tag! <3
    Sarah von
    http://www.belle-melange.com

  2. Ich bin auch immer wieder mal am Kurzgeschichten schreiben und finde die Idee mit dieser Reihe super 🙂
    GLG, Tina

  3. Oh cool! Ich schreibe auch einfach gerne und dachte mir, wenn ich mit dem Blog schon mal die Plattform habe, so etwas zu veröffentlichen, warum dann eigentlich nicht?

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